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Erläuterung wichtiger Begriffe

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Manchmal sind es nicht geläufige Fremdwörter, die bei Technikphilosophie auftauchen, die dann hier erläutert werden. -- Fragen Sie ggf. nach!

In anderen Fällen tauchen gewisse Themen auf, über die etwas zu wissen im Zusammenhang mit Technikphilosophie durchaus Sinn macht, die sich aber nicht ohne weiteres in den ansonsten gesteckten Rahmen mit den vorgegebenen Themen einordnen lassen. Auch da hat es sich angeboten, dass sie sich hier unter "Begriffe" niederschlagen.

Phänomenologie nach Edmund Husserl

Husserls primärer Ansatz war, dass das, was dem Bewusstsein einer Person begegnet, der Ausgangspunkt jeder Erkenntnistheorie sein sollte, seien es tatsächliche Wahrnehmungen, Erinnerungen, Gedanken. All dies fasst er als Phänomene zusammen. Diese sind zunächst genau und so zu erfassen, wie sie erscheinen, nicht vermittelt durch eine vorgefasste Theorie und nicht durch bloße Kategorisierung. Annahmen über die Phänomene, die zu uns kommen, wie "das ist meine Kaffeetasse", sind nach Husserl bereits Vorannahmen, die vorerst beiseite gelassen werden müssen. Er betont aber auch, dass diese Voraussetzungen auf der anderen Seite so selbstverständlich sind, dass sie zum Phänomen gehören, ja es erst erscheinen lassen. Meine Kaffeetasse erscheint mir direkt als Kaffeetasse und nicht als irgendwie bunte Flecken auf meiner Netzhaut. Und indem ich die Kaffeetasse als solche wahrnehme, ist sie Teil unserer Lebenswelt. Mit anderen Worten: Kaffeetassen sind in unserer Kultur verankert. Und so hat sich für den Einzelnen, der in diesem kulturellen Umfeld aufgewachsen ist und lebt, auch die Kaffeetasse als Teil der Lebenswelt konstituiert.

Wie bereits erwähnt, wäre die Art und Weise, wie diese Konstitution vonstatten gehen könnte, Gegenstand dessen, was Husserl als genetische Phänomenologie bezeichnet. Hier unterscheidet Husserl zwischen einer aktiven und einer passiven Synthese. Mit passiver Synthese wäre die Tatsache gemeint, dass sich mir aufgrund meines kulturellen Kontextes und meiner vorangegangenen Entwicklung die Kaffeetasse als solche zeigt. Mit aktiver Synthese ist meine Fähigkeit gemeint, die Vielheit der Einzelphänomene als in diesem Fall zu einem räumlichen Ding gehörig zu verbinden, siehe [Husserl 2000], [Husserl 1966]. Die Kaffeetasse erscheint mir also als Kaffeetasse, aber nicht "nur" als Kaffeetasse. Das bedeutet, dass man aufpassen sollte, dass eine abstrahierende und reduzierende Kategorisierung nicht zwischen die unvoreingenommene Wahrnehmung des Phänomens gerät.

Wenn ein Benutzer mit einer neuen Benutzeroberfläche für ein Software Werkzeug konfrontiert wird, gewöhnt er sich daran und sie wird Teil seiner Lebenswelt im oben beschriebenen Sinne. Wie diese Gewöhnung abläuft und die Frage, ob, wie und unter welchen Umständen sie gelingen kann, würde ebenfalls in den Bereich der genetischen Phänomenologie fallen. Damit wäre die genetische Phänomenologie bereits ein Ansatz zur Untersuchung von Benutzeroberflächen. Es würde untersucht, inwieweit die Benutzerschnittstellen Teil der Lebenswelt des Benutzers geworden sind und wie dieser Prozess abläuft, vergl. [Kramann 2021].

Zur weitergehenden Lektüre: Dan Zahavi, Phänomenologie für Einsteiger [Zahavi].

Lebenswelt

Die Lebenswelt ist uns zuerst in "Umwelten von Tieren und Menschen" von Jakob von Uexküll [Uexküll] begegnet: In dem besonderen Blick auf dasjenige was die Umwelt eines Tieres mit einer bestimmten Ausstattung an Sinnen, Bewegungsmöglichketen und kognitiven Fähigkeiten ausmacht, wird einem selber klar, dass das, was für uns selber im Horizont desssen liegt, was für uns wirklich sein kann, Beschränkungen unterliegt.

Sowohl Husserl [Husserl 2008], als auch Heidegger [Heidegger 2006] greifen die Thematik der Lebenswelt auf.

Mit Lebenswelt ist nicht die Summe aller Aspekte der Welt gemeint, wie wir sie in Modellen beschreiben. Es geht also nicht um Abstraktionen wie soziale Beziehungen, Verkehrssysteme, Umweltprobleme, Politik usw. Im Sinne der Phänomenologie bedeutet Lebenswelt die Summe aller Möglichkeiten, wie sich eine als existent angenommene Welt phänomenologisch ausdrückt. Sie ist der Horizont / die Gesamtheit der Möglichkeiten der Welt in all ihren Aspekten, wie wir sie täglich erleben. Beispiele für Auszüge daraus sind: Unsere körperliche Erfahrung, unsere Raumerfahrung, unsere Begegnungen mit anderen Menschen. Aber auch spezifischere, individuell geprägte und zeitabhängige Dinge, wie z.B.: Smartphones und deren Nutzung, Musik, die im Supermarkt erklingt, das unmittelbare Verstehen von geschriebenen Texten, der Wechsel der Jahreszeiten, Umweltverschmutzung als tägliche Erfahrung, Nachrichten über Umweltprobleme als tägliche Erfahrung, etc. Vor allem aber spielt unser physisches In-der-Welt-Sein eine herausragende Rolle für unsere lebensweltliche Erfahrung:

"Denn alles sich lebensweltlich als konkretes Ding Darstellende hat selbstverstandlich eine Körperlichkeit, auch wenn es nicht ein bloßer Körper ist, wie z.B. ein Tier oder ein Kulturobjekt, also auch psychische oder sonstwie geistige Eigenschaften hat. Achten wir nur rein auf das Körperliche der Dinge, so stellt es sich offenbar wahrnehmungsmaßig nur dar im Sehen, im Tasten, im Hören usw., also in visuellen, in taktuellen, akustischen und dgl. Aspekten. Dabei ist selbstverstandlich und unweigerlich beteiligt unser im Wahrnehmungsfeld nie fehlender Leib, und zwar mit seinen entsprechenden "Wahmehmungsorganen" (Augen, Handen, Ohren usw.). "

(Edmund Husserl in [Husserl 1970], S. 114, §28 Die unausgesprochene Voraussetzung Kants: die selbstverständlich geltende Lebensumwelt)

Dass uns ein Stoppschild im Straßenverkehr erscheint, dass wir ein Klingelschild als das unseres Nachbarn erkennen können, indem wir es ohne nachzudenken lesen, dass uns eine Million Euro für ein Auto teuer erscheint, setzt einen Lernprozess voraus, den wir im Gedächtnis abrufen können. Andere Aspekte unserer Lebenswelt, wie die oben erwähnte Körper- und Raumerfahrung, sind in unserer vorbewussten kindlichen Entwicklung verwurzelt und wir können uns ihrer Entstehung nicht bewusst werden. Offenbar sind solche Vorprägungen eine Voraussetzung für unsere lebensweltliche Erfahrung, die für uns in Vergessenheit geraten ist.

Noch einmal auf die Stufenketten der Erfülltheit (Eigentlichkeit) eines Phänomens gehend: Nur etwas, das uns geläufig ist, kann in unserer Vorstellung eine entsprechende Konkretisierung erfahren:

Stufenketten der Erfülltheit am Beispiel des Begriffs Strand.

Bild 0-1: Stufenketten der Erfülltheit am Beispiel des Begriffs Strand.

Heidegger wiederum hebt darauf ab, dass es ganz bestimmte Modalitäten gibt, wie uns die Dinge in unserer Lebenswelt gegeben sind:

  • Der Hammer "ist zuhanden" -- d.h. nach Heidegger ist der Hammer für uns nicht einfach ein Objekt im Raum, sondern er zeigt sich als etwas, das uns gut in der Hand liegt:
"...je weniger das Hammerding nur begafft wird, je zugreifender es gebraucht wird, um so ursprünglicher wird das Verhältnis zu ihm, um so unverhüllter begegnet es als das, was es ist, als Zeug. Das Hämmern selbst entdeckt die spezifische 'Handlichkeit' des Hammers. Die Seinsart von Zeug, in der es sich von ihm selbst her offenbart, nennen wir Zuhandenheit. "

Heidegger, M. Sein und Zeit [Heidegger 2006, S.69]

  • Unsere Grundhaltung sei "die Sorge" -- Dinge sind nicht einfach so in unserem Bewusstsein aufgereiht, sondern sie zeigen sich uns vor allem dann, wenn wir uns um sie sorgen: "Habe ich das Badezimmerfenster wieder zu gemacht?"

"Urteile a priori / a posteriori", sowie "Synthetische und analythische Urteile"

Immanuel Kant (1724-1804) hat im Zusammenhang mit der Erkenntnisfähigkeit des Menschen durch sein Werk "Kritik der reinen Vernunft" einige bis heute den philosophischen Diskurs prägende Begriffe eingeführt, wie insbesondere die Begriffspaare "Urteile a priori / a posteriori", sowie "Synthetische und analythische Urteile" [Kant], [Blöser].

Mit diesen Begriffen ist folgendes gemeint:

  • Analythisches Urteil: Man zieht i.d.R. logische Schlussfolgerungen aus den als gültig angenommenen bekannten Aussagen. Es findet dadurch kein Informationszuwachs statt. Alles steckte bereits in den gegebenen Aussagen.
  • Synthetisches Urteil: Im Verlauf der Beurteilung eines Sachverhaltes ergeben sich neue Erkenntnisse.
  • a priori: Es werden keine äußeren Tatsachen in den Beurteilungsprozess hineingenommen.
  • a posteriori: Es werden Untersuchungen äußerer Tatsachen angestellt. Beispielsweise werden physikalische Experimente durchgeführt.

Die für Kant wichtige Frage war, ob synthetische Urteile a priori möglich seien, also ob es möglich sei aus rein geistigen Tatsachen zu Urteilen zu gelangen, die über den Informationsstand davor hinausgehen, ohne dabei neue, weitere äußere Tatsachen zu Rate ziehen zu müssen. Für seine Transzendentale Methodenlehre beantwortet Kant diese Frage positiv und bringt damit eine bis heute andauernde erkenntnistheoretische Debatte in Gang.

* Urteile a priori Urteile a posteriori
Analythische Urteile Logiker / Rationalisten
Synthetische Urteile Metaphysiker Wissenschaftliche Methode

Tabelle 0-1: Kombinationsmöglichkeiten von "Urteile a priori / a posteriori", sowie "Synthetische und analythische Urteile" und Vertreter welcher Erkenntnistheorie da jeweils angesiedelt sind, siehe auch: [Hoyningen].


Analythisches Urteil a priori:
Alle Menschen sind sterblich. Sokrates ist ein Mensch. 
Daraus folgt, dass auch Sokrates sterblich ist. (Anwendung der Logik, kein Informationszugewinn)

Synthetisches Urteil a posteriori:
Versuche mit Sprachaufzeichnungstatsten haben gezeigt: Viele Hunde sind in der
Lage eine einfache Sprache zu erlernen, um dann mit Menschen aktiv zu kommunizieren.

Synthetisches Urteil a priori:
(Mittelalterlicher Gottesbeweis aus Vernunftgründen nach Anselm von Canterbury)
...Ist nicht das Werk eines Malers perfekter als nur der Gedanke daran? 
Die logische Schlussfolgerung: Wenn wir die Existenz eines vollkommenen Wesens postulieren 
dann muss es auch existieren. Kurz: Wenn Gott Gott ist, dann ist Gott.
Siehe: [Henk]


Code 0-1: (Klassische) Beispiele.

Vergleiche auch:

https://de.wikipedia.org/wiki/Synthetisches_Urteil_a_priori
Hoyningen, P.: Grundbegriffe der Erkenntnistheorie II: Analytisch - synthetisch, a priori - a posteriori https://www.youtube.com/watch?v=0sb9fMgNBA8
Henk, M., in: DER SPIEGEL vom 28.09.2008: Der logisch perfekte Gottesbeweis. https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/mittelalter-der-logisch-perfekte-gottesbeweis-a-577503.html, aufgerufen am 30.03.2025.